Konzertdirektion Landgraf

Hier einige Informationen über die Konzertdirektion Landgraf, für die ich bis September 2013 Produktionen nach Deutschland, Österreich und die Schweiz auf Tournee gebracht habe. Wer einen Überblick über derzeitige Produktionen erhalten will, findet ausführliche Informationen unter: www.landgraf.de


In der zweiten Hälfte des Jahres 1945

begannen in den wenigen erhalten gebliebenen Theatersälen und in vielen improvisierten Räumen Künstler wieder zu musizieren, zu singen und Theater zu spielen. In manchen Großstädten war mit den Bomben auf die Wohnhäuser auch der Exodus der Bevölkerung einhergegangen. Die Leute wohnten mehr als früher im ländlichen Raum, zusammen mit den Flüchtlingen aus dem Osten in neuen, breit gefächerten Bevölkerungsstrukturen. Es lag nahe, Musik und Theater zu den Menschen „über Land“ zu bringen, in Menge und Art weit über das hinaus, was Landestheater schon vor dem Krieg leisten konnten. Jetzt begann man, in Orten des Umlands ebenso wie im Flächenland abgelegener Gegenden Großstadtkultur anzubieten. Hier bauten viele Kommunen dafür in den nächsten Jahren neue Veranstaltungshallen.

Ernst Landgraf begann 1945 mit einem Liederabend
In dieser Zeit begann die Konzertdirektion Landgraf als eine typische Nachkriegsgeschichte: Ein Journalist, der in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main als Hauptschriftleiter tätig war, wurde ausgebombt. Er hieß Ernst Landgraf, war 30 Jahre alt, als der Krieg im Mai 1945 zu Ende ging, evakuiert nach Neustadt im Schwarzwald. Am 19. November 1945 veranstaltete Ernst Landgraf im Hotel Neustädter Hof in Titisee-Neustadt einen Liederabend mit dem Bariton Heinrich Schlusnus, der seit 1917 an der Deutschen Staatsoper Berlin, aber auch in Chicago, Bayreuth und Südafrika berühmt geworden war. Der Eintritt kostete 6,50 DM. Es war ein kalter Winter, und nicht nur hier wurde das Publikum gebeten, zusätzlich zum Kauf der Eintrittskarte Holz oder Kohle zum Heizen mitzubringen. Dieser Liederabend, ein halbes Jahr nach Kriegsende, war 1945 der Anfang der Konzertdirektion Landgraf. Noch vor der Währungsreform 1948 standen die schwäbischen Abende mit Willy Reichert und Oskar Heiler in ihrem Programm, begann die Konzertreihe mit der bekannten Pianistin Elly Ney. Sehr früh schon und dann über viele Jahrzehnte wurde die Vertretung der Wiener Sängerknaben ein wichtiger Grundstock für die immer bekannter und bedeutender werdende Konzertdirektion, deren Angebot sich kontinuierlich erweiterte.

Das erste prominent besetzte Ballett
In der Spielzeit 1957/58 bot Ernst Landgraf erstmals das American Festival Ballett an, choreographiert von Renzo Raiss, damals Ballettmeister in Bremen, ausgestattet von dem noch jungen Günther Schneider-Siemssen, ehe er über Wien und Salzburg seine internationale Karriere begann. Im Programm dominierten Ausschnitte aus Tschaikowsky-Balletten mit den Solotänzerinnen Christine Hennessy vom New-York-City-Ballett und Sonia Arova, später Ballettmeisterin in Kopenhagen und dann an der Staatsoper Hamburg, sowie den Solotänzern Job Sanders, später auch Choreograph beim Nederlands Dance Theatre, und William Milie, der in Deutschland durch die vielen TV-Shows wohl der bekannteste amerikanische, schwarze Choreograph wurde.

Schauspiele mit einem Protagonisten-Ensemble
Anfang der sechziger Jahre erweiterte die Konzertdirektion ihre Ballettangebote. Es war die Zeit, in der Ernst Landgraf auch die ersten Schauspiele ins Programm nahm. Seit 1953 waren in Westdeutschland die für die deutschsprachige Theaterstruktur neuartigen Tourneetheater mit Schauspielproduktionen unterwegs. 1960 schickte Ernst Landgraf sein erstes Angebot auf die Reise, Henrik Ibsens „Gespenster“ mit prominenten Schauspielerinnen und Schauspielern des Burgtheaters, firmiert als „Wiener Tourneetheater“. Kurz darauf ließ Ernst Landgraf unter dem Namen seiner Konzertdirektion „Das Salzburger Große Welttheater“ von Hugo von Hofmannsthal folgen. Bis 1966 organisierte Ernst Landgraf insgesamt sieben Tourneen des „Wiener Tourneetheaters“, von 1963 bis 1966 parallel dazu vier des „Deutschen Tournee-Theaters“. Daneben reisten fünf Produktionen unter „Konzertdirektion Landgraf“. 1964/65 erschien erstmals der Name „Euro-Studio“, unter dem die Theater-Eigenproduktionen der Konzertdirektion Landgraf bis heute bekannt sind. Auch die erste Euro-Studio-Produktion war wienerisch besetzt: Hans Thimig inszenierte mit Attila Hörbiger, Christiane Hörbiger, Wolf Albach-Retty, Ernst Anders, Michael Janisch und sich selbst „,Die Kinder“ von Hermann Bahr. Solche Traumbesetzungen waren möglich, weil es damals für die prominenten Theaterleute ein Bedürfnis war, hochrangige Kultur hinauszutragen aus den Metropolen.

Schon in den 1960er Jahren kristallisierte sich eine Zusammenarbeit mit Protagonisten heraus, die jeweils über Jahrzehnte anhielt. Das begann mit einer ausschließlichen Zusammenarbeit von Ernst Landgraf mit Attila Hörbiger, Ewald Balser, Käthe Gold, Joachim Fuchsberger und Inge Meysel. Sie übertrugen später ihre Treue auf den Sohn Joachim Landgraf. Zu dessen Zeiten kamen dann Will Quadflieg, Charles Regnier, Sonja Ziemann, Walter Giller und Nadja Tiller, Karl Heinz Martell, Peter Striebeck, Doris Kunstmann, Peter Bause und manche andere hinzu. Es bildete sich ein Protagonisten-Ensemble, das über Jahr-zehnte immer wieder tourte. Um jeden dieser Protagonisten bildete sich ein Schauspielerteam, das bei den Produktionen ständig dabei war. So entwickelte sich der Ensemble-Gedanke im Tourneetheater der Konzertdirektion Landgraf.

1974 übernahm Joachim Landgraf die Konzertdirektion
Eine Woche vor dem Schlusnus-Konzert im November 1945 hatte in Titisee-Neustadt der Junior Joachim Landgraf das Licht der Welt erblickt. Er lernte von klein auf bei seinem Vater das „Geschäft“ mit der Kunst kennen, saß als Bub bei so manchem Prominenten auf dem Schoß, bekam eine fundierte Ausbildung und reiste später mit dem Vater mit. Früher als vorhergesehen musste Joachim Landgraf im März 1974, selbst erst 28 Jahre alt, verantwortlich einsteigen, als sein Vater plötzlich gestorben war. Er folgte permanent den neuen Ansprüchen. Zu den Ballett- und Schauspielproduktionen nahm er schon 1975 auch das Musiktheater mit Opern, Operetten und Musicals hinzu. Gerade dieser Bereich hat sich dann in den folgenden Jahrzehnten mit starken internationalen Einflüssen zu völlig neuen Theater- und Showformen weiterentwickelt.

Dass Joachim Landgraf Theaterstücke nicht nur unter dem Verkaufsaspekt aus-wählt, sondern weitgehend vor allem unter dem Gesichtspunkt ihrer inhaltlichen, aktuellen oder literarischen Bedeutsamkeit, geht Hand in Hand mit der tatkräftigen Unterstützung durch seine Frau Birgit. Die theaterwissenschaftlich geschulte Dramaturgin, versehen mit großem Gespür für künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten und für den zuweilen komplizierten Umgang mit Künstlern teilt sein Engagement, seit Joachim und Birgit Landgraf das Unternehmen gemeinsam führen. Das Euro-Studio Landgraf wuchs mit der Zahl der Produktionen, den eigenen Werkstätten, dem eigenen Fuhrpark und der für alles notwendigen Logistik zum umfangreichsten Tourneetheaterbetrieb. Joachim und Birgit Landgraf konnten nicht nur hervorragende Regisseure, Choreographen, Bühnenbildner und Darsteller verpflichten, sondern ebenso hausintern fachkundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie einen hervorragenden technischen Stab an sich binden. Ohne ein solches, für das Publikum unsichtbares Team wäre ein so umfangreicher und anspruchsvoller Tourneebetrieb gar nicht möglich.

Anspruchsvolle Spielplanaspekte im Schauspiel
Zur Spielplangestaltung gehörte für Joachim Landgraf immer auch eine kontinuierliche Autorenpflege im Schauspiel. Über viele Spielzeiten hinweg waren und sind das Stücke von Alan Ayckbourn, Jean-Paul Sartre und Gerhart Hauptmann, aber auch die der neueren deutschsprachigen Autoren wie Siegfried Lenz, Martin Walser, Heinrich Böll, Peter Turrini. Neu ist ein Autorenvertrag mit Lutz Hübner, dessen Stücke zu den meistgespielten gehören. Dazu kommen dann auch immer wieder thematische Schwerpunkte, unter denen die „Verarbeitung des Dritten Reiches“ häufig vertreten war und aktuelle Anlässe, wie 2009 zum Beispiel „20 Jahre Mauerfall“, regelmäßig dazugehören.

Für all diese Spielplanaspekte, die inhaltlich über das Landläufige hinausgehen, ist das Euro-Studio Landgraf bei den Veranstaltern bekannt. Sie wissen, dass diese Wagnisse mit einer bestmöglichen Besetzung abgestützt werden, zuweilen einer besser möglichen als in mancher Theatermetropole. Viele solcher außergewöhnlichen Produktionen bekamen deshalb auch Anerkennung in Form der seit 1985 von den Mitgliedern der Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen (INTHEGA) über ein Punktesystem vergebenen jährlichen INTHEGA-Preise. Darunter waren „Die Geschichte einer glücklichen Stadt“ („Triumph des Todes“) von Eugène Ionesco (1986), „Unter dem Milchwald“ von Dylan Thomas (1992), „Die Palästinenserin“ (1993) und „Ghetto“ (2000) von Joshua Sobol, die deutsche Erstaufführung „Beowulf“ von Michael Bogdanov (1996), „Top Dogs“ von Urs Widmer (1999), „Kopenhagen“ von Michael Frayn (2000), „Der Fall Furtwängler“ von Ronald Harwood (2001), „Kleine Eheverbrechen“ (2005) und „Oscar und die Dame in Rosa“ (2007) von Eric Emmanuel Schmitt, „Amadeus“ von Peter Shaffer (2006), „Schachnovelle“ von Stefan Zweig/Helmut Peschina (2007), „Die Grönholm-Methode“ von Jordi Galceran wie auch die wagemutig zeitgenössische Dramatisierung von Tolstois „Anna Karenina“ durch Anne-Sylvie König und Amina Gusner (beide 2008).

Neue Spielplanaspekte auch im Musical
Insgesamt wurden zwischen 1985 und 2008 im Schauspiel 40 Landgraf-Produktionen mit einem INTHEGA-Preis ausgezeichnet, dazu kamen 4 Produktionen mit dem erst seit 2002 ausgelobten Musiktheater- bzw. Crossover-Preis: „My Fair Lady“ von Frederick Loewe (2002), „King of Jazz – Satchmo. Die Louis Armstrong Story“ (2004), „Moonlight Serenade“ (2006)¸ „Hello, Dolly!“ von Jerry Herman (2008).

Die eigentlichen Leistungen der Konzertdirektion Landgraf auf diesem Gebiet lagen jedoch schon früher. Über Jahre hinweg hat sie neben „Anatevka“, „My Fair Lady“ und „Der Mann von la Mancha“ auch Außergewöhnliches gespielt: „Josephine“ (Josephine Baker), „Cotton Club“ sowie „Der Zauberer von Lublin“ mit der Staatsoper Warschau. Erstmals waren „Song And Dance“ und „Carmen Jones“ auf Tournee. Mit ihnen und mit der Louis-Armstrong-Story „Satchmo“ hat die Konzertdirektion Landgraf auch den schwarzen Kontinent dem Publikum nahe gebracht hat. Zum Bemerkenswerten gehörten „Singing and Dancing the Blues“ ebenso wie „Fred Astaire, Let’s Dance“, Bekanntes wie „Evita“ von Andrew Lloyd Webber, Neues wie „Das Bildnis des Dorian Gray“ mit der Musik von Tamas Varkonyi, „Evangelium über Maria“ mit der Musik von Laszlo Tolcsay oder die Uraufführung „Die Weihnachtsgeschichte (A Chrismas Carol)“ von Charles Dickens mit dem Madach-Theater Budapest, in der Hauptrolle des Scrooge mit dem deutschen Schauspieler Andreas Pegler besetzt, sowie, ebenfalls mit dem Madach-Theater, „Anna Karenina“ mit der Musik von Tibor Koscak.

Aus dem Musical entwickelten sich im Laufe der Zeit ganz neue Formen wie zum Beispiel die Musical-Revuen, die wir heute Crossover nennen. Diese zu entwickeln, hat die Konzertdirektion Landgraf begonnen, als sie „Die goldenen Zwanziger“, „Guck nicht immer nach dem Tangogeiger hin“, „Tanz auf dem Vulkan“, „Sekretärinnen“, „Am offenen Herzen“, „Fifty, Fifty“ erfand und produzierte. Manche der musikalischen Produktionen gingen auch weit über den Radius normaler Tourneeproduktionen hinaus. „Der König und ich“ von Richard Rodgers zum Beispiel zog über viele Gastspielbühnen und war in der Landgraf-Produktion im Ronacher-Theater in Wien und im Deutschen Theater in München in Serie zu sehen.

Besondere Aufführungszahlen
Es gibt Beispiele, dass einige Produktionen der Konzertdirektion Landgraf auch außergewöhnliche Aufführungszahlen erreichten. Das einzigartige Musical „Mahalia“ hat die Konzertdirektion Landgraf speziell in Auftrag gegeben und dann zwischen 1998/99 und 2005/06 über 700 Mal gespielt. Wagnisse im Spielplanangebot des Schauspiels wurden durch „Renner“ wirtschaftlich abgesichert, die durchaus nicht platte Unterhaltung sein mussten. Das treffendste Beispiel dafür ist die Produktion des bewegenden Alten-Stücks „Teures Glück“ von Jean Bouchard, das Inge Meysel innerhalb von zehn Jahren in 558 Aufführungen spielte.

Erste Koproduktionen mit einem Stadttheater
Die Konzertdirektion Landgraf pflegte immer wieder auch die Zusammenarbeit mit stehenden Bühnen, um Produktionen für eine Tournee zu übernehmen oder für eine Tournee gemeinsam zu erarbeiten. Aus einer Vielzahl hier zwei Beispiele. Als Gerhard Klingenberg Direktor des Wiener Burgtheaters war, gingen 1973 die „Damenbekanntschaften“ von Lotte Ingrisch mit Hilde Krahl und Leopold Rudolf auf Reisen. Ein Jahr später folgte die Wiener Michael-Kehlmann-Inszenierung von Lessings „Nathan der Weise“ mit Attila Hörbiger, Maresa Hörbiger, Jürgen Wilke. Joachim Landgraf konnte in den 1980er Jahren in Bonn-Bad Godesberg das erste Mal mit dem damaligen Kulturdezernenten vereinbaren, hier mehrere Produktionen in einem festen Theater zu erarbeiten und dazu die Produktionen des Euro-Studios als Gastspiele in Bonn-Bad Godesberg mit einzureihen. Nach der Zusammenführung der Städte Bad Godesberg und Bonn wurde die Aktivität des Euro-Studios bis dahin ausgebaut, dass den Städtischen Bühnen Bonn auch die Spielstätte des Theaters Bonn-Bad Godesberg zugeordnet wurde, die heute unter dem Namen „Kammerspiele“ firmiert. Auf diese Weise kam es zu den ersten Koproduktionen zwischen einem Stadttheater und einem Tourneetheater, die anschließend auf Reisen gingen.

Beispiele internationaler Kontakte
Hätte es Anfang der 1980er Jahre bei der Gründung der Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen bereits einen INTHEGA-Preis gegeben, „Die Geschichte eines Pferdes“ von Tolstoi / Rosowskij hätte ihn bekommen. Mit welchem Veranstalter, der diese Inszenierung gebracht hatte, man auch sprach – immer hob sich die Stimme oder leuchteten Augen. Sie war als Gastspiel auch in Großstädten wie Hamburg und Stuttgart zu sehen. Das Besondere an dieser Produktion war die Zusammenarbeit zwischen Joachim Landgraf und Henry Tomaszewski, dem polnischen Tänzer, Schauspieler, Choreographen, Regisseur und Autor, vor allem aber Pantomimen, der 1956 in Breslau sein Pantomimentheater gegründet hatte. Als er 2001 gestorben war, meinte Joachim Landgraf nach einer über 30-jährigen Zusammenarbeit: „Seine Intelligenz, sein Verstehen der Menschen und das Umsetzen in eine künstlerische Aussprache wird in der Theatergeschichte einen festen Platz behalten. Wir hatten die Chance, sechs Inszenierungen, die unseren Mut erwachen ließen, Tourneetheater anders zu machen, ins Leben rufen zu dürfen und in dieser Theaterlandschaft mitzukämpfen.“ Durch Joachim Landgrafs Initiative kreierte Tomaszewski mit seinem Ensemble und deutschen Schauspielern, darunter vor allem Karl Heinz Martell, „Cardenio und Celinde“, „Schluck und Jau“, „Aus dem Leben einer Puppe“ und Ionescos „Triumph des Todes“, der 1986 einen der ersten, damals neu eingeführten INTHEGA-Preise bekam. Es war eine Theaterform, die nur auf Tournee stattfand, hier durch die Konzertdirektion Landgraf, in Polen durch Henry Tomaszewski selbst.

Nicht minder wichtig war über so viele Jahre die Zusammenarbeit mit der Moskauer Kammeroper, mit ihrem künstlerischen Leiter und Regisseur Boris A. Pokrowski. Seine bereits ebenfalls zur Theatergeschichte gehörende Inszenierung der Oper „Die Nase“ von Dmitrij Schostakowitsch hat die Konzertdirektion Landgraf nicht nur bei uns bekannt gemacht, sie war in allen Kontinenten zu sehen. Erinnernswert bleibt Pokrowskis Erstaufführung „Das Leben mit einem Idioten“ von Alfred Schnittke in Amsterdam, die die Konzertdirektion Landgraf mit seinem Ensemble in Winterthur in der Schweiz als Erstaufführung und dann in etlichen Städten gezeigt hat. 1991 begann Joachim Landgraf eine ebenso kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Ukrainischen Staatsoper „Taras Schewtschenko“ in Kiew, deren Ballett zu den osteuropäischen Ensembles von Weltrang zählt. Für diese anspruchsvollen Opern- und Ballett-Tourneen mit über 130 Personen konnte die Konzertdirektion Landgraf Partner in Deutschland, der Schweiz, in Aalborg / Dänemark oder in Frankreich – von Straßburg über Lyon, Avignon, Bordeaux, Reims bis Korsika – finden.

Seit den 1990er Jahren weiteten sich die Kontakte immer stärker auf dieser internationalen Ebene aus. Beispiele im anspruchsvollen Entertainment sowie im klassischen und modernen Tanz gibt es mit der indischen Daksha Sheth Dance Company (Trivandrum, Kervala), dem australischen Ensemble von CIRCA (Brisbane), mit Masashi Mashiro aus Japan oder der Philadelphia Dance Company „Philadanco“, mit der die Konzertdirektion Landgraf auch beim Ballett Festival in Budapest gastierte. Das ebenfalls von Joachim Landgraf vermittelte italienischen Athletic Dance Theatre Kataklò (Mailand) gastierte bei Festivals, zum Beispiel bei den Ruhrfestspielen oder dem Edinburgh Festival, und nahm an der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2006 in Turin teil. Giulia Staccioli entwarf die Struktur der fünf Olympischen Ringe, ein Zeichen, das zum Sinnbild für die Spiele wurde. Zudem kreierte sie die Eröffnungschoreographie, in der alle Tänzer von Kataklò zusammen mit 140 Freiwilligen aufgetreten sind.

Feste Spielstätten
Es wäre unvollständig, die Geschichte der Tourneetheater allein mit der Bespielung der Orte außerhalb der Theaterzentren zu beschreiben. In den ersten Jahrzehnten musste sich diese Struktur mit dem Bau von neuen Spielstätten überhaupt erst entwickeln. Die ersten Gastspiele prominenter Schauspielerinnen und Schauspieler fanden vorwiegend in festen Theaterhäusern zusätzlich zu deren eigenem Spielplan statt. So hob sich zum Beispiel in den 1980er Jahren in West-Berlin bis zu zehn Mal an einem Abend der Vorhang für eine Produktion, an dem die Konzertdirektion Landgraf und das Euro-Studio beteiligt waren oder deren Produzent die Konzertdirektion Landgraf war. In früheren Jahren fanden bis zu 40 Prozent aller Aufführungen in Stadt- und Staatstheatern statt.

Das hat sich später verändert, und doch blieben feste Spielstätten bis heute weiterhin ein Standbein. Sie bleiben für manche Unternehmen die Voraussetzung, anspruchsvolle prominente Darsteller zu einem Vertragsabschluss zu bewegen, die unabhängig von Rezessionserscheinungen weiterhin neben einer guten Gage auch garantierte Vorstellungszahlen fordern. Für die Konzertdirektion Landgraf sind solche Spielstätten noch heute das Theater am Aegi in Hannover im Rahmen eines Besucherrings, das Theater im Rathaus in Essen auf der Basis einer selbständigen Betriebsform oder das Theater in Amberg, in dem viele Tourneepremieren stattfinden. Das ist umso wichtiger geworden, weil der Zenit hoher Vorstellungszahlen in der Fläche seit längerer Zeit überschritten ist. Die Kürzung in den Kulturhaushalten der Gastspielstädte ließen seit den 1990er Jahren alle Tourneetheater die früher üblichen Aufführungszahlen im Schauspiel nur noch im Ausnahmefall erreichen. Also sind die Unternehmen gezwungen, ihre Produktionskosten erst in Wiederholungsangeboten der folgenden Spielzeiten zu erwirtschaften, und sie sind zusätzlich auf eben diese festen Standorte mit angewiesen. Dazu gehören für die Konzertdirektion Landgraf auch selbst organisierte Abonnementsringe in einigen Partnerstädten. Das entspricht dem System der Landesbühnen, die Abstecherorte versorgen, in denen es keine eigenverantwortliche Kultureinrichtungen gibt. Den Landesbühnen steht dazu eine Vielzahl festbeschäftigter Mitarbeiter zur Verfügung im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern, die ihre Organisation mit einem minimalen Team, zuweilen als Ein-Personen-Büro bewerkstelligen. Der Unterschied besteht ferner darin, dass Landesbühnen bei diesen Gastspielen durch Subventionen abgesichert sind, während Tourneetheater erst über den Umweg eines Festabschlusses in die Zusicherung eines subventionierten Abendhonorars gelangen. Da viele Gastspielorte immer mehr dazu übergehen, selbst ihre Abonnementsvorstellung nur noch auf prozentuale Teilung der Abendeinnahme bespielen zu lassen, tragen die Tourneetheaterdirektionen das volle persönlich haftende Risiko, während jeder Landesbühnenintendant auch bei weniger Buchungen oder einem Flop sein zugesichertes Monatsgehalt ausgezahlt bekommt.

Gemeinsamkeit in einer Interessengemeinschaft
Die Schauspielerin Maria Becker, seit 1956 mit der Schauspieltruppe Zürich selbst Tournee-Unternehmerin, wollte das Tourneetheater ins rechte Licht rücken und initiierte bei ihren Kollegen 1973 die Interessengemeinschaft der deutschsprachigen Tourneetheater (IG), in der sich die profiliertesten Unternehmen bis heute zusammenschließen. Zu den Mitgründern gehörte auch Joachim Landgraf. Für einen längeren Zeitraum übernahm er später in dieser IG die Sprecherfunktion. Die Interessengemeinschaft als Mitglied im Internationalen Fachverband Show und Unterhaltungskunst e.V. dient dem gemeinsamen Auftritt gegenüber anderen Verbänden, zum Beispiel der Bühnenverleger, vereinfacht gewisse Abrechnungsmodi oder verhindert durch Absprache Spielplanüberschneidungen nicht mehr verlagsgebundener Werke. Darüber hinaus bleiben die Mitglieder der IG der Tourneetheater selbständige, konkurrierende Theaterunternehmen.

Voller Verantwortung auf ständiger Profilsuche
Ihre Ansprüche bei Spielplanentscheidungen und Besetzungen, ihr Weg über den schmalen Grat zwischen persönlicher wirtschaftlicher Verantwortung für ein großes Unternehmen und außergewöhnlichem Profil der Spielplanangebote, haben der Konzertdirektion Landgraf mit den Eigenproduktionen des Euro-Studios einen Ruf eingebracht, der sich von Jahr zu Jahr immer wieder aus Neue bestätigen muss. Um so enttäuschter ist Joachim Landgraf, wenn er zusehen muss, wie manche Veranstalter vor Ort diesen Weg verlassen und auf den scheinbar leichteren, aber keinesfalls sichereren Pfad der Unterhaltung wechseln. Tourneetheater ist keine Sache der Institutionen, sondern der Personen. Ernst Landgraf hat das Unternehmen die ersten drei Jahrzehnte, Joachim und Birgit Landgraf haben es inzwischen über mehr als weitere drei Jahrzehnte geprägt. Sie tragen es im siebenten Jahrzehnt in die Zukunft hinein. Die ist in ihrer Werteord-nung zuweilen durch lokalpolitische Entscheidungen und zusätzlich durch die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise bedroht. Dennoch herrscht in der Konzertdirektion Landgraf Zuversicht, sich mit Qualität weiter auf dem Anbietermarkt behaupten zu können.
War es eine Vision von Ernst Landgraf, seinem Unternehmen Mitte der 1960er Jahre bereits den Namen „Euro-Studio“ zu geben? Aus der Schiene Wien – Titisee wurde ein Netz der Verbindungen in vielen Ländern und Kontinenten. Das ist die eine Säule des Unternehmens. Die andere wird von Veranstaltern der INTHEGA jedes Jahr aus dem Angebot ausgezeichnet, das die Konzertdirektion Landgraf mit ihrem Euro-Studio selbst produziert. Viele der Verantwortlichen in 550 Städten mit Theatergastspielen buchen diese Produktionen, weil sie sich bei ihren Theaterbesuchern einen Namen gemacht haben und deshalb von ihnen gern angenommen werden.

Weitere Informationen unter:
www.landgraf.de